Ausgewählte Urteile des Gerichtshofes der Europäischen Union
Urteil des Gerichtshofs vom 18. Januar 2024 in der Rechtssache C‑218/22
Verfahrensart: Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV
Vorlegendes Gericht: Tribunale di Lecce (Italien)
Thema: Sozialpolitik – Richtlinie 2003/88/EG – Art. 7 – Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Finanzielle Vergütung für nicht genommenen Jahresurlaub, die bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt wird – Nationale Regelung, die die Zahlung dieser Vergütung verbietet, wenn ein im öffentlichen Dienst beschäftigter Arbeitnehmer auf eigenen Wunsch aus dem Dienst ausscheidet – Eindämmung der öffentlichen Ausgaben – Organisatorische Erfordernisse des öffentlichen Arbeitgebers“
Parteien: BU gegen Comune di Copertino
Sachverhalt: Ein im öffentlichen Dienst tätiger Arbeitnehmer war von Februar 1992 bis Oktober 2016 als Verwaltungsleiter bei der italienischen Gemeinde Copertino beschäftigt. Er schied freiwillig aus dem Dienst aus, um in den vorzeitigen Ruhestand einzutreten. Für 79 nicht genommen Urlaubstage verlangte er eine finanzielle Vergütung. Die Gemeinde Copertino verwarf dieses Verlangen auf der Grundlage von italienischen Rechtsvorschriften, wonach die im öffentlichen Dienst beschäftigten Arbeitnehmer anstelle des bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommenen bezahlten Jahresurlaubs in keinem Fall Anspruch auf eine finanzielle Vergütung haben. Dagegen wandte sich der Arbeitnehmer.
Vorlagefragen des Tribunale de Lecce:
- Sind Art. 7 der Richtlinie 2003/88 und Art. 31 Abs. 2 der Charta dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren streitigen (d. h. Art. 5 Abs. 8 des Decreto-legge Nr. 95) entgegenstehen, die zugunsten der Eindämmung öffentlicher Ausgaben sowie wegen organisatorischer Erfordernisse des öffentlichen Arbeitgebers ein Urlaubsabgeltungsverbot im Fall der Eigenkündigung eines im öffentlichen Dienst beschäftigten Arbeitnehmers vorsieht?
- Sind, falls die erste Vorlagefrage bejaht wird, Art. 7 der Richtlinie 2003/88 und Art. 31
Abs. 2 der Charta dahin auszulegen, dass ein Beschäftigter des öffentlichen Dienstes nachweisen muss, dass es ihm nicht möglich war, den Urlaub während des laufenden Arbeitsverhältnisses in Anspruch zu nehmen?
Urteilstenor/Entscheidung des Gerichtshofs der EU:
Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung und Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die zugunsten der Eindämmung öffentlicher Ausgaben sowie wegen organisatorischer Erfordernisse des öffentlichen Arbeitgebers das Verbot vorsehen, dem Arbeitnehmer eine finanzielle Vergütung für sowohl im letzten Jahr der Beschäftigung als auch in den Vorjahren erworbenen, zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommenen Jahresurlaub zu zahlen, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis auf eigenen Wunsch beendet und nicht nachgewiesen hat, dass er den Urlaub aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht während des Arbeitsverhältnisses genommen hat.
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