EuGH: Rechtsprechungsstatistiken 2012

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Europäischer Gerichtshof in Luxemburg

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat am 6.3.2013 seine Rechtssprechungsstatistiken 2012 veröffentlicht.  Die Anzahl der bei den drei Gerichten (Gerichtshof, Gericht und Gericht für den öffentlichen Dienst) anhängig gemachten Verfahren ist danach leicht gesunken (1569 Verfahren in 2011 und 1427 in  2012). Dies liegt nach Aussagen des EuGH daran, dass vor allem die Zahl der eingelegten Rechtsmittel zurückgegangen ist.

Beim Gerichtshof gingen 2012  632 neue Rechtssachen ein, während 595 abgeschlossen wurden. Insgesamt waren 2012  886 Rechtssachen vor dem Gerichtshof anhängig.  Die Verfahrensdauer bei Vorabentscheidungsverfahren betrug 15,7 Monate, während Klagen und Rechtsmittel im Durchschnitt innerhalb von 19,7 Monaten bzw. 15,3 Monaten abgeschlossen wurde.
Weitere Einzelheiten, insbesondere auch zu den Statistiken des Gerichts und des Gerichts für den öffentlichen Dienst können der Pressemitteilung Nr. 23/13 vom 6. März 2013 entnommen werden.



EuGH vom 7.2.2013: Gerichtsstandsklauseln in Kettenverträgen

Fotolia_55418835_XS_competenceGerichtsstandsklauseln in Kettenverträgen: Rechtsprechung des EuGH

Können Gerichtsstandsklauseln, welche zwischen in verschiedenen Mitgliedsstaaten ansässigen Parteien vereinbart wurden  einem späteren Erwerber entgegengehalten werden?

Diese Frage hat der französische Kassationsgerichtshof mit Urteil vom 17.11.2011  dem Europäischen Gerichtshof im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens gestellt.

Der EuGH hat darauf mit nein geantwortet (Urteil vom 7.2.2013, Refcomp SpA c/ Axa u.a. Rechtssache C-543/10):  „Art. 23 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass eine in dem Vertrag zwischen dem Hersteller eines Gegenstands und dem Erwerber vereinbarte Gerichtsstandsklausel dem späteren Erwerber, der diesen Gegenstand am Ende einer Kette von das Eigentum übertragenden Verträgen, die zwischen in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässigen Parteien geschlossen wurden, erworben hat und eine Haftungsklage gegen den Hersteller erheben möchte, nicht entgegengehalten werden kann, es sei denn, es steht fest, dass dieser Dritte der Klausel unter den in diesem Artikel genannten Bedingungen tatsächlich zugestimmt hat.“

Die Entscheidung des EuGH entspricht seiner bisherigen Rechtsprechung zu  Art. 5 1) EuGVO. Der Gerichtshof hat danach nie zugelassen, dass ein zwischen zwei Personen geschlossener Vertrag Wirkungen auf dritte Personen habe könnte, es sei denn diese haben dem Vertrag tatsächlich zugestimmt (EuGH vom 17. Juni 1992, Handte / TMCS, Rechtssache C-26/91). Eine etwas andere Lösung hat der  EuGH lediglich für den Fall angenommen hat, dass es um ein Konnossement (Seefrachtbrief) geht (EuGH vom 19. Juni 1984, Tilly Russ/Nova, Rechtssache C-71/83; EuGH vom 9.11.200, Coreck Maritime, Rechtssache C-387/98).

Die Rechtsprechung des EuGH steht damit im Gegensatz zur Rechtsprechung des Kassationsgerichtshofes, die dieser für rein nationale Sachverhalte entwickelt hat. Der französische Kassationsgerichtshof  hat in der Tat bereits mehrere Male entschieden, dass ein Vertrag welcher die Übertragung von Eigentum zum Ziel hat gewisse Wirkungen auch auf spätere Erwerber haben kann. So hat er z.B. entschieden, dass eine Schiedsgerichtsklausel  in einem Kettenvertrag auch auf spätere Erwerber übergehen und Wirkungen entfaltet, selbst wenn diese dem Vertrag nicht zugestimmt haben (Civ. 1re, 22 mars 2007, Bull. civ. I, n° 129).



Neue Mwst-Vorschriften für Rechnungsstellung ab 1.1.2013 anwendbar


Ab 1.1.2013 gelten die Regeln der zweiten Richtlinie 2010/45/EU vom 13.7.2010 zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem hinsichtlich der Rechnungsstellungsvorschriften, welche von den Mitgliedstaaten bis spätestens 31.12.2012 in nationales Recht umgesetzt werden mussten.

Ziel ist u.a. die Rechnungsstellung für Unternehmen zu vereinfachen. Rechnungen auf Papier und elektronische Rechnungen müssen gleichbehandelt werden. Die Mitgliedstaaten dürfen keine Bedingungen für die Gültigkeit der Rechnungsstellung, wie z.B. die Verwendung einer elektronischen Signatur vorschreiben. Rechnungen können nun auch elektronisch aufbewahrt werden. Nähere Erläuterungen zu den Mehrwertsteuervorschriften für die Rechnungsstellung gem. der Richtlinie 2010/45/EU finden Sie hier.

Nach den neuen Vorschriften können es die Mitgliedstaaten (fakultativ) darüber hinaus Unternehmen mit einem Umsatz von weniger als 2 Millionen Euro jährlich ermöglichen die Mehrwertsteuer erst dann abzuführen, wenn sie vom Kunden auch tatsächlich erhalten wurde (Art. 167 a der Richtlinie, konsoldierte Fassung).



Ermässigter Steuersatz für E-Books in Frankreich: europarechtskonform?

EuropakarteSeit dem 1.1.2012  gelten  in Frankreich für Bücher und E-Books der ermässigte  Mehrwertsteuersatz von 7 % (vorher waren es  5,5 % für Bücher, Steuersatz der von der neuen sozialistischen Regierung auch wieder eingeführt werden soll). In Luxemberg werden E-Books sogar nur mit 3 % Umsatzsteuer belastet.

Die Europäische Kommission ist der Meinung, dass E-Books aufgrund der gegenwärtigen Gesetzeslage nicht in den Genuss von ermässigten Steuersätzen kommen können. Dies würde gegen die Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 verstossen. In Anhang III werden die Güter und Dienstleistungen aufgezählt für die ein ermässigter Steuersatz angewendet werden darf. E-Books fallen nicht darunter, im Gegensatz zum Buch in Papierform. E-Books stellen vielmehr eine elektronische Dienstleistung dar.

Die Anwendung des ermässigten Steuersatzes für E-Books würde nach Ansicht der Kommission zu einer Verzerrung des Wettbewerbs führen.

Sowohl Frankreich als auch Luxemburg haben daher von der Kommission Mahnschreiben erhalten mit der Aufforderung zu dieser Frage Stellung zu nehmen. Es handelt sich dabei um die erste Etappe im sogenannten Vertragsverletzungsverfahren, welches die Kommission gegen Mitgliedsstaaten, welche das Recht der EU verletzten vor dem EuGH einleiten kann.

Sinnvoll wäre es vorliegend sicherlich einen harmonisierten Steuersatz auf EU-Ebene zu finden.



Warenverkehrsfreiheit und Urheberrecht

intellectualWarenverkehrsfreiheit und Urheberrecht: Rechtsprechung des EuGH

Nach einer Entscheidung des EuGH vom 21. Juni 2012 (Rechtssache C-5/11) darf ein Mitgliedstaat einen Spediteur wegen Beihilfe zum Verstoss gegen das Verbot urheberrechtlich geschützter Werke in seinem Land strafrechtlich verfolgen, selbst wenn die Werke im Land des Verkäufers nicht geschützt sind.

Im Ausgangsfall ging es darum, dass Kopien von Einrichtungsgegenständen im Bauhaus-Stil von einem italienischen Unternehmen, insbesondere über das Internet deutschen Kunden angeboten wurden. Der Transport der bestellten Artikel nach Deutschland wurde von einem italienischen Unternehmen durchgeführt dessen Geschäftsführer deutscher Staatsangehöriger war. Dieser wurde von der deutschen Justiz gem.  §§ 106, 108a UrhG strafrechtlich verurteilt.

Der EuGH hat die vom BGH im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens gestellten Fragen wie folgt beantwortet:

1.  „Ein Händler, der seine Werbung auf in einem bestimmten Mitgliedstaat ansässige Mitglieder der Öffentlichkeit ausrichtet und ein spezifisches Lieferungssystem und spezifische Zahlungsmodalitäten schafft oder für sie zur Verfügung stellt oder dies einem Dritten erlaubt und diese Mitglieder der Öffentlichkeit so in die Lage versetzt, sich Vervielfältigungen von Werken liefern zu lassen, die in dem betreffenden Mitgliedstaat urheberrechtlich geschützt sind, nimmt in dem Mitgliedstaat, in dem die Lieferung erfolgt, eine „Verbreitung an die Öffentlichkeit“ im Sinne von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft vor.

2. “ Die Art. 34 AEUV und 36 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie es einem Mitgliedstaat nicht verbieten, die Beihilfe zum unerlaubten Verbreiten von Vervielfältigungsstücken urheberrechtlich geschützter Werke in Anwendung seiner nationalen Strafvorschriften strafrechtlich zu verfolgen, wenn Vervielfältigungsstücke solcher Werke in dem betreffenden Mitgliedstaat im Rahmen eines Verkaufsgeschäfts an die Öffentlichkeit verbreitet werden, das speziell auf die Öffentlichkeit in diesem Mitgliedstaat ausgerichtet ist und von einem anderen Mitgliedstaat aus abgeschlossen wird, in dem ein urheberrechtlicher Schutz der Werke nicht besteht oder nicht durchsetzbar ist.“