Wegfall des Entschädigungsanspruchs bei schuldhaftem Verhalten des Handelsvertreters, auch wenn dieses erst nach Beendigung des Handelsvertretervertrages bekannt wird.

Vorbemerkung: Das französische Recht des Handelsvertreters ist in den Artikeln L. 134-1 bis L.134-17 Code de commerce (französisches Handelsgesetzbuch) geregelt. Die besondere Stellung des Handelsvertreters gibt es im französischen Recht bereits seit 1958. Im Jahr 1991 wurde dann die „Richtlinie 86/653/EWG zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter“ in französisches Recht umgesetzt und damit wurden die bereits bestehenden Vorschriften geändert und angepasst.

Nach Art. L. 134-12 Code de commerce (französisches Handelsgesetzbuch) kann der Handelsvertreter nach Beendigung des Handelsvertretervertrages von dem Unternehmer einen Ausgleich zum Ersatz des ihm entstandenen Schadens verlangen. Das französische Recht hat bei der Umsetzung der Richtlinie 86/653/EWG vom 18.12.1986 entsprechend Art. 17 Abs. 3 die Version des Schadensersatzanspruches gewählt. Das deutsche und das österreichische Recht gestehen dem Handelsvertreter einen Ausgleichsanspruch zu.

Wie hoch dieser Schadenersatzanspruch ist, wird von den französischen Gerichten entschieden. Dabei hat sich eine für den Handelsvertreter sehr vorteilhafte Rechtsprechung etabliert, die grundsätzlich davon ausgeht, dass einem Handelsvertreter ein Anspruch gewährt werden muss, der 2 Jahreskommissionen (netto) entspricht. Es sei denn es kann von einer der Parteien bewiesen werden, dass der Schaden geringer oder höher ist.

Art. L. 134-13 Code de commerce zählt die Fälle auf, in denen der Handelsvertreter keinen Entschädigungsanspruch geltend machen kann. Dies ist u.a. auch dann der Fall, wenn die Beendigung des Handelsvertretervertrages durch den Unternehmer auf einen schweren Fehler des Handelsvertreters zurückzuführen ist (vgl. dementsprechend Art. 18 a) der Richtlinie 86/653/EWG).

Entscheidung der Cour de cassation vom 24.11.2015: Das höchste französische Zivilgericht hat festgestellt, dass das bewusste Geheimhalten durch den Handelsvertreter seiner schlechten finanziellen Lage (und das sich im vorliegenden Fall anschließende Sanierungsverfahren) bei Abschluss des Vertrages mit dem Unternehmer, ein solch schwerer Fehler des Handelsvertreters darstelle, unabhängig davon, ob der Unternehmer diesen Fehler erst nach Beendigung des Handelsvertretervertrages entdeckt und folglich darauf nicht im Kündigungsschreiben hingewiesen habe. Voraussetzung sei jedoch, dass der Fehler vor Beendigung des Handelsvertretervertrages begangen worden sei. Ein Entschädigungsanspruch des Handelsvertreters wurde in diesem Fall von der Cour de cassation verneint.

Dieses Urteil entspricht zwar grundsätzlich französischer Rechtsprechung, jedoch nicht unbedingt der Meinung des EuGH. Dieser hat am 28.10.2010 (Volvo Car Germany GmbH/Autohof Weidensdorf GmbH, C-203/09) entschieden: „Art. 18 Buchst. a der Richtline 86/653/EWG des Rates vom 18.12.1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter lässt es nicht zu, dass ein selbständiger Handelsvertreter seinen Ausgleichsanspruch verliert, wenn der Unternehmer ein schuldhaftes Verhalten des Handelsvertreters feststellt, das nach dem Zugang der ordentlichen Kündigung des Vertrags und vor Vertragsende stattgefunden hat und das eine fristlose Kündigung des Vertrags gerechtfertigt hätte“. Eine Einschränkung macht der EuGH jedoch dann, wenn das Verhalten des Handelsvertreters unter Berücksichtigung aller Umstände nicht der Billigkeit entspricht. In diesem Fall könne ein Ausgleichsanspruch ausgeschlossen werden (vgl. Volvo Car Germany, Randnr. 44: „ Allerdings hat der Handelsvertreter nach Art. 17 Abs. 2 Buchst. a zweiter Gedankenstrich der Richtlinie Anspruch auf einen Ausgleich, wenn und soweit die Zahlung eines solchen Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände der Billigkeit entspricht. Es ist somit nicht auszuschließen, dass das Verhalten des Handelsvertreters im Rahmen der Prüfung der Billigkeit des Ausgleichs berücksichtigt werden kann“).

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